Samstag, 16. Juni 2007

Der Deutschen ihre Geschichtsschreibung & dessen Lehre

Dieses Jahr hatte ich das Vergnügen an einer Vorstellung ganz besonderer Art teilzunehmen. Veranstaltungsort war ein deutsches Gymnasium, Zeit 10. Schuljahr und das Ganze all inklusive. Leider bin ich ein schreibfauler Mensch, wie euch liebe Leserinnen und Leser, sicher aufgefallen ist was mir sicher auch in diesem Artikel zum Verhängniss werden wird. Nichts desto trotz stelle ich hier den Versuch auf die größten Grausamkeiten dieses deutschen Schultheater-Spektakels grob zu skizzieren. Ich versuche dabei möglichst chronologisch vorzugehen.

Dass bei dem Ersten Weltkrieg um deutsche Soldaten und ihre Sterberate getrauert wird, während in Erzählungen meines Lehrers kein Platz für alliierte Opfer zu sein schien, störte mich noch verhältnismäßig wenig. Auch, als die von den alliierten durchgeführten Seeblockaden während des ersten Weltkrieges als Kriegsverbrechen verunglimpft wurde, nahm ich es noch relativ gelassen. Auch als unverhältnissmäßig lange über den Verlust deutschen Bodens geflennt wurde, nahm ich dies relativ unbedacht hin. Erst als der Versailler Friedensvertrag auch von meinem Lehrer als Schanddiktat bezeichnet wurde, begann ich wirklich zu reflektieren. Zu Beginn des Schuljahres war ich noch der Ansicht, dass je relativierender die Erzählung zum Ersten Weltkrieg sein mögen, desto besser würden sie zum Zweiten und dem Holokaust ausfallen. Dass sich diese Vermutung als falsch herausstellen würde ahnte ich noch nicht.

In der Weimarer Zeit, begann dann die staatliche Gleichsetzung von "Links" und "Rechts". Verwundert hat mich das nicht, teilweise kann ich dem sogar zustimmen (Stichwort: Querfront), wohl aber geärgert hat es mich da so auch AntfaschstInnen in kommunistischen/sozialistischen Gruppierungen mit FaschistInnen auf eine Stufe gestellt wurden. Kaum wurde auf den Antisemitismus dieser Zeit eingegangen, sowohl auf den von Rechts, wie auf den von Links. Eine weitere Sache störte mich ebenfalls bei der ganzen Debatte um die junge deutsche Republik: die peinliche Unterscheidung zwischen gutem Patriotismus, und bösen Nationalismus. Hier wurde überhaupt nicht erkannt, dass ersteres Grundlage für zweites ist; dass mensch nicht stolz auf ein Fleck Erde sein kann und vor allem, dass die Konstitution einer Nation immer auch einher geht mit der Abschottung nach außen, was gerade die Unterscheidung von gutem und bösen Bekenntniss zur Heimat als reine Haarspalterei erscheinen lässt.

Mit Beginn der Nazizeit bzw. der deutschen Geschichtsschreibung und Vermittlung dieser, fingen die Probleme aber erst richtig an. Kaum behandelt wurde die Zeit von 1933-1938, lediglich die Reichspogromnacht (des öfteren auch relativierend als Reichtskristallnacht bezeichnet) welche in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 stattfand wurde erwähnt. Keine Erwähnung fand der Holokaust im Geschichtsunterricht. Lediglich die Kennzeichnung der verschiedenen politischen und ethnischen Gruppen in den Konzentrationslagern wurde vermittelt. Das Thema wurde dafür im Religionsunterricht behandelt, was ein weitere große Probleme produziert. Zum einen nehmen nicht alle SchülerInnen am Religionsunterricht teil, zum anderem blieb der Holokaust dort im großen und ganzen auf das Verhalten der Kirche gegenüber der NS-Politik beschränkt. Untermauert wurde dies mit relativierenden und revisionistischen Dokumentationen von 1980 oder noch früher. In den letzten Stunden, wurde die erste brauchbare Dokumentation gezeigt in der ein ehemaliger KZ-Häftling von der deutschen Barbarei berichtete. Trotzdem wurde der Holokaust nicht annähernd als das analysiert was er war. Gänzlich fehlte eine Auseinandersetzung mit der Psyche der Deutschen und vor allem damit, warum der Holokaust in Deutschland und nicht in einem anderem Staat stattfand.

Im Geschichtsunterricht beschränkte sich das Themenfeld mit Vorliebe darauf den NS-Faschismus äquivalen zu italienischem, spanischem und russichem zu relativieren - anstatt auf die Unterschiede von deutschen Faschismus, dem Nationalsozialismus, und Faschismus im Allgemeinem einzugehen.
Ein weiteres beliebtes Thema waren die verlorenen deutsche Gebiete gewesen um den Angriffskrieg zweiter Weltkrieg mit ihrer Hilfe zu relativieren. Auf den Krieg an sich wurde auch sehr wenig eingegangen. Keiner angemessenen Erwähnung fanden beispielsweise die Verbrechen von Wehrmacht und SS, sowohl innerhalb wie außerhalb der deutschen Grenzen. Umsomehr bemühte sich mein Lehrer die Parallelen zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus herauszustellen. Im Grunde ist das ein richtiger und wichtiger Aspekt, wenn darauf geachtet wird sie nicht gleichzusetzen. Was jedoch geschah.

Mein Lieblings Ärger-Thema während der ganzen Zeit bleibt jedoch das Verhalten der deutschen "Zivilbevölkerung". Während der ganzen Stunden, wurde der Eindruck erweckt Hitler, Himmler, Göring, Eichmann und natürlich der volksverführende Goebbels seien alleine an den Schäden der deutschen Untaten schuld. Als wären sie es gewesen, die fast die ganze Welt alleine erobert hatten, und sechs Millionen Menschen auf grausamste Weise um die Ecke brachten. Die deutsche "Zivilbevölkerung" wusste ganz genau was in den Konzentrationslagern geschah, sie wussten auch warum Krieg geführt wurde und mit welchen Verbrechen dies verbunden war. Anstatt diese wichtigen Erkenntnisse zu berücksichtigen und klarzustellen, kenne ich jetzt so zimlich jede Widerstandskämpferin und Widerstandskämpfer. Das erweckt natürlich fälschlicherweise die Vorstellung, dass jede und jeder gegen die Nazis gekämpft hat.

Mein persönlicher Höhepunkt bleibt jedoch die Gleichsetzung von Göring mit Sir Arthur Harris. Während der erste einen völkerrechtswidirgen Angriffskrieg gegen Unschuldige führte, half der zweite maßgeblich Deutschland und die Welt vom deutschen Faschismus freizubomben, wobei er gegen überwiegend Schuldige vorging.

Was ich am meisten an diesem deutschen Theaterstück vermisse, war die kritische Reflektion der deutschen Nation. Macht aber nicht's! Mir hat dieses Spektakel so gut gefallen, dass ich auch nächstes Jahr das Vergnügen haben werde es mir ein zweites mal anzuschauen. In einem Jahr wird sich herausstellen, ob sich etwas grundsätzlich an meiner Kritik geändert hat oder nicht. Also bis in einem Jahr, dann werde ich einen ähnlichen Artikel dazu schreiben.

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