Samstag, 11. August 2007

le retour des qualités morales allemandes

Nein, der Artikel ist natürlich nicht in französischer Sprache. Dafür beherrsche ich sie nicht mal annähernd gut genug. Dennoch widerstrebt es mir einen Artikel "die Rückkehr deutscher Werte" zu nennen.
Durch den Verlauf der deutschen Geschichte ziehen sich verschiedene Werte, die als deutsch deklariert werden können. Die Schaffung der deutschen Nation, geht - im Gegensatz von z.B. der Schaffung der USA - vor allem auf die gemeinsame Abstammung und Kultur zurück, also auf rassistische Prinzipien. Die Grenzen wurden und werden seid je her gegen "Nichtdeutsche" gezogen.
Die Nation ist ein Kollektivsubjekt, welches sich als handlungsfähig zu erweise hat und dem sich die einzelnen Subjekte aktiv hinzuwenden bzw. unterzuordnen haben. Das bedeutet, dass sich in der Nation das Individuum mit der Allgemeinheit zu identifizieren hat. Sie, die Nation, erweist sich als maßgebliche Form, in der Individuen in das System kapitalistischer Ausbeutung integriert werden. [1] Zur Zeit der "Erfindung" der deutschen Natzion, grenzte sich diese zum einem gegenüber dem bürgerlich-revolutionären Frankreich nach außen, und den als volksfremd begriffenen Jüdinnen und Juden nach innen ab. Es entstand ein antidemokratischer deutscher Obrigkeitsstaat. Die Politik galt dieser Gemeinschaft seit jeh her als etwas übergeordnetes und volksfremdes. Darum konnte Demokratie, also die Einflussnahme der Massen auf den politischen Prozess, auch erst spät - durch die Alliierten Siegermächte des zweiten Weltkrieges - eingeführt werden, was wiederrum auf eine Indifferenz der Deutschen zum demokratischen System und politischer Mitbestimmung schließen lässt. [2]

Deutschland grenzte sich seit jeh her gegenüber emanzipatorischen Erkenntnissen ab. So wurden auch Kommunisten oder andere Linke, Homosexuelle, behinderte Menschen, Arbeitsunwillige, Sinti, Roma, neben Jüdinnen und Juden als "undeutsch" und dem Volkskörper fremd empfunden. Es verwundert nicht, dass diese Gesellschaft die völkische Ideologie hervorbrachte, die ihren menschenverachtenden Höhepunkt im Nationalsozialismus fand. Mit, direkter oder indirekter, Unterstützung der deutschen Bevölkerung wurde so die volksgemeinschaftliche Ordnung von "Blut und Boden" mit Krieg und Massenmord in Vernichtungslangern zum Verhängniss der "Nichtdeutschen" praktiziert. Gestoppt werden konnte die von Deutschen als Verteidigungkrieg gegen das "Anti-Volk" begriffene Vernichtung, nicht durch Vernunft, sondern durch alliierte Militärgewalt.

Spätestens im Zuge der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, der BRD und der DDR, skizzierte sich das völkische Denken wieder in rassistischen Pogromen gegen MigrantInnen. Erinnert sei hier an Mölln, Solingen, Rostock-Lichtenhagen, Hoyeswerda und die "Boot ist Voll"-Rhetorik bürgerlicher Parteien, sowie der Änderung des Asylrechts, welches seid 1993 de facto abgeschafft ist.

Sollte die Entstehung der deutschen Nation und ihre Entwicklung sowie das Bewusstsein der Deutschen mit Werten skizziert werden, so wären diese vor allem Autoritätsbezogenheit, Pflichtbewusstsein, Arbeitswahn, Ordentlichkeit, Pünktlichkeit, Nationalismus - daruas resultierend - Antisemitismus, Rassismus und Kollektivismus. Individualismus galt und gilt als Fremdwort. Um es mit den Worten, der Nazis aus den "Nazis vs. ..."-Videos - die es bei Youtube gibt - zu sagen "Nichts für uns, alles für's Vaterland!"

Bemerkbar machte sich diese Tradition auch in den, nun eingeführten, Kopfnoten. Hier stehen Pflichtbewusstsein, Arbeitswahn, Pünktlichkeit sowie Kollektivismus an erster Stelle. Zugegebenermaßen gibt es auch positive Aspekte. Für die Note in "Selbständigkeit" sind z.B. Dinge wie "nehmen Beratung und Unterstützung in Anspruch", "fordern Rückmeldung ein", "beobachten und reflektieren Lernwege und Lernfortschritte" relevant. Unter dem Aspekt "Konfliktverhalten" gibt es den Unterpunkt "benutzen eine Sprache, die andere nicht diskreminiert". Dies ist natürlich positiv hervorzuheben. Die Frage die sich nun stellt ist eher eine Allgemeine. Wie gerecht können Leherinnen und Leherer die Kopfnoten für ihre Schülerscharen überhaupt vergeben? Und kommen sie überhaupt in die Position gerade die Selbstständigkeit überhaupt angemessen zu beurteilen?

Pflichtbewusstsein, Arbeitswahn, Ordentlichkeit und Pünktlichkeit werden dafür umso eindeutiger verlangt. Exemplarisch dazu ein paar Unterpunkte:
Die Schülerinnen und Schüler
  • arbeiten konzentriert und über einen längern Zeitraum,
  • strengen sich auch bei ungeliebten Aufgaben und Anforderungen an,
  • fragen nach und verlangen Klärung, wenn sie eine Aufgabe oder einen Arbeitszusammenhang nicht verstehen,
  • erkennen Schwierigkeiten, fragen nach, holen sich Unterstützung, ohne frühzeitig aufzugeben
  • suchen neue Aufgaben und zeigen Initiative
  • zeigen Interesse an neuen Themen und Aufgabenstellungen und nehmen diese in Angriff
  • erscheinen pünktlich zum Unterricht und zu vereinbarten Terminen
  • halten Absprachen gewissenhaft und zuverlässig ein
  • erledigen Aufgaben vollständig und termingerecht
  • führen Hefte und Arbeitsunterlagen ordentlich und nach den vereinbarten Vorgaben
  • halten Lern- und Arbeitsmaterialien in ordentlichem Zustand bereit
  • gehen mit Büchern, Materialien, Geräten, usw. verantwortungsbewusst und sachgerecht um
Mögen diese Unterpunkte z.T. auch sinnvoll sein, skizzieren sie jedoch ohne Zweifel eine Manifestierung traditioneller deutscher Werte.

Getreu dem Motto "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" richten sich viele Unterpunkte zur Ermittlung der Kopfnote gegen die Individuen. Diese Parole ist nicht nur ein Erbe des Faschismus, welches sich auch sinngemäß in Gesetzen der BRD findet, sondern richtet sich auch gegen die persönliche und individuelle, freie Entfaltung der einzelnen Individuen.
Hierzu gehören die folgenden Unterpunkte:
Die Schülerinnen und Schüler
  • nehmen Aufgaben und Pflichten für die Klasse/Gruppe wahr,
  • übernehmen Verantwortung für Entscheidungen und Belange der Klasse/Gruppe,
  • vertreten Interesse anderer, auch wenn sie sich nicht vorrangig mit den eigenen Bedürfnissen decken,
  • schlichten Streit
  • sind bereit eigene Interessen zurückzustellen, wenn es die Ziele des Team erfordern

Hier gilt eindeutig nicht der Individualismus, mit der Selbständigkeit ist es lange vorbei, sondern der Kollektivismus, das "wir" zählt. Volksgemeinschaft vom feinsten!

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[1] vlg. "I Can't Relax in Deutschland"
[2] vgl. "Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit" von Theodor W. Adorno

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