Neue Phänomene ist mensch inzwischen ja von Nationalen Sozialisten gewohnt. Sie spielen Musik von den Scherben oder den Ärzten, tragen black Block-Klamotten oder die Kufiya. Sogar das Antifasymbol klauen und verändern sie. Das einzige Symbol was für Antifaschisten als unverkennbar antifaschistisches Symbol blieb waren Nationalflaggen, zum Beispiel - und vor allem - die von Israel.
Inzwischen gibt es aber sogar "Nationale Sozialisten für Israel". Das wirft natürlich einige Fragen auf. Ist diese Strömung, sofern mensch das so nennen kann, ein Fake? Wo finden sich Überschneidungen zwischen Nazi-Ideologie und Israelsolidarität? Haben die Nazis ihren Antisemitismus vielleicht sogar überwunden? Falls ja: Wird es nun neben einer antiimperialistischen Querfront zwischen linken und rechten Antiimps eine weite Querfront zwischen linken und rechten israelsolidarischen Aktivisten geben?
Ich möchte versuchen auf diese Fragen, der Reihe nach, Antworten zu geben, beginnend mit der Frage:
Ist diese Strömung, sofern mensch das so nennen kann, ein Fake?
Diese Frage liegt nahe, haben Nazis doch selbstredent Juden und damit auch den jüdischen Staat als Erzfeinde auserkoren.
Für diese Betrachtung nehmen wir aber einmal an, dass es sich hier um keinen Fake handelt. Sowohl Kommentare auf dem Blog der "NaSofI"[1] wie auch die Argumentation der Nationalen Sozialisten lässt dies zumindest theoretisch zu, wie sich zeigen wird.
Wo finden sich Überschneidungen zwischen Nazi-Ideologie und Israelsolidarität?
Um diese Frage zu beantworten muss mensch sich erstmal ansehen, wie die "Kameraden" argumentieren. Dass Nazis nicht mehr die "Anderswertigkeit der Rassen" propagieren sollte bekannt sein. Ihr Rassismus ist dennoch nicht verschwunden, sondern äußert sich in ihrem Ethnopluralismus. Dem nach ist jede Ethnie in einem Teil der Welt verwurzelt und darf dort in ihrem "natürlichem Lebensraum" - wohlgemerkt rassisch homogen - leben.
Die NaSofI fordern genau diesen Ethnopluralismus auch für Israel, wenn sie schreiben, dass "[j]edes Volk [...] seine Tradition, sein Territorium und seinen Platz in der Geschichte [hat] - und dazu gehört auch Israel." [2] Damit werden Menschen (hier: Juden) via rassistischer Argumentation an ein Fleck Land gebunden. Neu ist das, wie gesagt, nicht. Neu ist nur, dass dieser Ethnopluralismus erstmal auch ausdrücklich von Rechten für Juden gefordert wird.
Erstmals werden Juden auch als "ein gesundes und starkes Volk"[3] betrachtet. Dass "[e]in starkes Volk [zu leben] verdient [hat ...] und ein krankes zu sterben" [3] machen die Autoren von vorne her rein klar. Auch diese Argumentation ist rassistisch, wo wir eindeutig bei den Überschneidungen zwischen wahnsinniger Rassentheorie der Nazis und Israelsolidarität andererseits wären.
Haben die Nazis also ihren Antisemitismus sogar überwunden?
Schaut mensch sich die Artikel genauer an, wird schnell deutlich: ohne Antisemitismus funktioniert bei Nazis keine Israelsolidarität - so paradox dies auch klingen mag. Hinzu zu der bereits besprochenen rassistischen Argumenatation gesellen sich leicht erkennbare antisemitische Argumentationsmuster.
Freilich: In dem ersten Absatz des "Warum Israel" [2] Textes setzen sich die Nazis ungewöhnlich selbstkritisch mit ihren Feindbildern und ihrer Ideologie auseinander. Trotzdem wird dem angesprochenem Absatz nicht klar widersprochen; weßhalb mensch annehmen muss, dass auch die NaSofI Israel eine Mitschuld "an nahezu allem politischen Elend in der Welt" anlastet. Auch dies gehört zum Standartrepertoire neonazistischer Antisemiten.
Darüberhinaus wird Juden in Deutschland bzw. ethischen Minderheiten generell ein "Zersetzungswerk" zugeschrieben - eine Argumentation die gewiss geistiges Erbe der nationalsozialistischen Rassentheorie ist.
Ein Absatz zeigt besonders deutlich wie antisemitisch geprägt die NaSofI denken:
Es lag in der Natur des Zustandes der Diaspora, dass sie [die Juden] gar nicht anders konnten, als sich in anderen Völkern einzunisten. Wer kann es ihnen verdenken, dass sie den Schritt zur vollständigen Assimilation nie getan haben, dass sie immer - und erfolgreich! - ihre völkische Identität gewahrt haben? Die Progrome, die Vertreibungen, die Inquisition, sie sind ebenso verständlich; Selbstverteidigungsakte bedrohter Völker. In diesem Kontext ist auch der sog. "Holocaust" zu sehen, aber keinesfalls zu verteidigen.[3]Juden werden per se als volksfremd und andersartig deklariert - obwohl sie sich selbst mehreitlich als Deutsche, Franzosen, Amerikaner usw. sahen!
Auch ohne Geschichtsrevisionismus kommt der Artikel nicht aus, fordert er doch Verständnis für die Shoah, quasi als (wenigstens eine) mögliche Antwort auf das "Weltjudentum". An dieser Stelle zeigt sich besonders deutlich, dass der Antisemitismus nicht verschwunden ist.
Laut NaSofi-Logik haben Juden auch einen Staat gegründet und damit verbunden "fremde Elemente vertrieben (das Säuberungswerk dauert immer noch an)" [3]. Auch hier bedienen sie Ressentiments gegenüber der israelischen Staatsgründung, die durchaus antisemitisch konnotiert sind.
Wie sieht es nun also aus mit der Querfront?
Eine Querfront zwischen Antideutschen und NaSofI ist mit Gewissheit auszuschließen. Schaut mensch sich die Argumentation der Nazis an, wird deutlich, dass sich hier nicht viel mehr finden lässt als eine Abkehr vom klassischem Antisemitismus. Dennoch strotzt die Argumentation vor Rassismus und Antisemitismus - ein Fundament auf dem niemals eine Querfront zwischen Antideutschen und Nazis zu Stande kommen kann.
Anders verhält es sich mit Neokonservativen, wie sie vielfach auf Politically Incorrect rumgeistern. Die Schnittmengen, zwischen deren dominierendem Israelverständniss und den NaSofI dürfte um einiges umfassender sein. Antifaschisten sollten ihr Augenmerk besonders darauf richten, damit die Nazis keinen Zulauf von neokonservativen und (vermeintlich) israelsolidarischen Menschen bekommen.
[1] z.B. https://www.blogger.com/comment.g?blogID=2110833648563053968&postID=5044260266102646803
[2] http://nasofi.blogspot.com/2007/12/warum-israel.html
[3] http://nasofi.blogspot.com/2008/05/ein-starkes-volk-verdient-es-zu-leben.html